Regenerative Landwirtschaft: Mythen, Fakten und warum Europa sie braucht
Europas Böden stehen vor einem Wendepunkt. Erosion, Verdichtung, Artenverlust und Klimastress nehmen zu. Regenerative Landwirtschaft bietet eine wissenschaftlich fundierte Alternative - fernab von Ideologie. Hier sind die wichtigsten Mythen und Fakten.

Die Bodenkrise in Europa: Eine wachsende Bedrohung
Der Zustand der europäischen Böden verschlechtert sich rasant. Die wichtigsten Kennzahlen zeigen, wie ernst die Lage ist:
- 61 % der EU-Böden gelten als ungesund - ein Zeichen für weit verbreitete Degradation.
- Die Bodenerosion ist 1,6-mal höher als die Bodenbildungsrate, Europa verliert also fruchtbaren Boden deutlich schneller, als er entstehen kann.
- 23 % der Böden weisen kritische Verdichtung auf, was Wurzelwachstum, Wasseraufnahme und Nährstoffkreisläufe hemmt.
- Die Bodenbiodiversität nimmt ab, erkennbar am Rückgang der Regenwurmarten – einem zentralen Indikator für Bodenökosysteme.
Wenn die aktuelle Bewirtschaftungsweise unverändert bleibt, werden zukünftige Generationen ausgelaugte Böden, unvorhersehbare Erträge und immer strengere gesetzliche Vorgaben erben.
Regenerative Landwirtschaft bietet einen realistischen, praxisorientierten Ausweg für Betriebe, das Lebensmittelsystem und Verbraucher.
Was ist regenerative Landwirtschaft?
Regenerative Landwirtschaft ist ein Ansatz, der auf grundlegenden Prinzipien und klar definierten ökologischen Zielen basiert mit der Bodenregeneration im Mittelpunkt. Er sieht keine starre Methode vor, sondern ermöglicht lokal angepasste Maßnahmen, die Bodenfunktion und Resilienz verbessern.
Zentrale Ziele sind:
- Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit
- Anpassung an und Minderung des Klimawandels
- Aufbau stabiler Wasserhaushalte
- Förderung der Biodiversität
- Verbesserung der langfristigen Wirtschaftlichkeit
Grundprinzipien der regenerativen Landwirtschaft
Minimale Bodenbearbeitung umfasst Methoden wie Direktsaat und No-Till-Verfahren. Dauerhafte Bodenbedeckung wird durch den Einsatz von Zwischenfrüchten oder eine ganzjährige Begrünung erreicht. Die Förderung biologischer Vielfalt erfolgt beispielsweise durch vielfältige Fruchtfolgen oder die Integration mehrerer Pflanzenarten. Zusammen unterstützen diese Maßnahmen landwirtschaftliche Betriebe dabei, Klimafolgen besser zu kompensieren, Wasserzyklen zu stabilisieren, Ökosystemleistungen wiederherzustellen und wirtschaftlich widerstandsfähiger zu werden. Mehr dazu erklären:
EU CAP Network: https://eu-cap-network.ec.europa.eu/focus-group-regenerative-agriculture-soil-health_en
NABU: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/umweltschutz/32775.html
Kurz gesagt: Regenerative Landwirtschaft ist ein adaptiver, wissenschaftsbasierter Ansatz, der Boden- und Pflanzengesundheit stärkt und positive Effekte auf Kohlenstoff, Wasser und Biodiversität erzielt.
Mythen & Fakten: Was regenerative Landwirtschaft ist – und was nicht
Mythos 1: Regenerative Landwirtschaft ist eine ideologische Nische.
Fakt: Sie ist ein praxisorientierter, wissenschaftlich fundierter Ansatz. Betriebe können Maßnahmen flexibel an ihre Standortbedingungen anpassen.
Mythos 2: Sie erfordert Perfektion und ist kaum umsetzbar.
Fakt: Regenerative Landwirtschaft ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess – ohne Checkliste und ohne definierten „Endzustand“.
In Deutschland existiert bislang kein einheitliches Label.
Mythos 3: Sie ist dasselbe wie Carbon Farming.
Fakt: Carbon Farming fokussiert stark auf CO₂-Zertifikate. Regenerative Landwirtschaft verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der weit über Klimagasmanagement hinausgeht.
Mythen & Fakten: Was regenerative Landwirtschaft ist – und was nicht
Mythos 4: Sie ist nur der nächste Trend nach Bio.
Fakt: Sie basiert auf jahrzehntelang bewährter konservierender Landwirtschaft und kann sowohl konventionelle als auch ökologische Systeme stärken.
Mythos 5: Sie verringert die Rentabilität von Betrieben.
Fakt: Die meisten Höfe profitieren langfristig wirtschaftlich. Typische Vorteile:
- geringere Düngemittel- und Betriebsmittelkosten
- weniger Arbeitsaufwand
- zusätzliche Einnahmen durch CO₂-Zertifikate
- höhere Erträge bei Extremwetter-Ereignissen
- langfristiger Wertzuwachs des Bodens
Kurzfristige Einbußen entstehen meist durch unerfahrenes Experimentieren – nicht durch den Ansatz selbst.
Das Potenzial der regenerativen Landwirtschaft in Deutschland
Rund 46 Prozent der Fläche Deutschlands, etwa 16,3 Millionen Hektar, werden landwirtschaftlich genutzt. Regenerative Methoden eignen sich für ungefähr 90 Prozent dieser Fläche, also rund 14,8 Millionen Hektar. Die landwirtschaftliche Nutzfläche verteilt sich auf verschiedene Betriebstypen: Kleinbetriebe machen etwa 20 Prozent der Fläche aus und bewirtschaften ihre Flächen zu gleichen Teilen als Ackerland und Grünland. Mischbetriebe umfassen rund 45 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche und bestehen in der Regel aus etwa zwei Dritteln Ackerland und einem Drittel Grünland. Ackerbaubetriebe stellen die verbleibenden 35 Prozent dar und nutzen ihre Flächen nahezu vollständig als Ackerland. Die Böden Europas können die aktuellen Bewirtschaftungsweisen nicht dauerhaft tragen. Regenerative Landwirtschaft bietet einen skalierbaren, wissenschaftlich fundierten Ansatz, um Bodenfruchtbarkeit wiederherzustellen, Resilienz aufzubauen und die Wirtschaftlichkeit zu stärken.





